-the incredible-

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Ankunft in Portugal

Nachdem wir fünf Tage und vier Nächte durchgefahren sind, wollen wir unseren Gastank nochmals so richtig füllen, um uns dann für die nächsten drei Wochen in die Hängematte zu schwingen.

Angekommen an der Tankstelle erhebt sich ein freundlich aussehender Herr von seinem Stuhl, läuft auf uns zu und meint: „Oha, da habt ihr euch aber einen schönen Clouliner hergerichtet.“ Wir schauen uns verdutzt an und fragen: „Wie bitte? Du kennst diesen Fahrzeugtyp?“ Der gute Herr meint dazu: „Wisst ihr, dies ist meine Tankstelle und ich versorge hier seit über 30 Jahren Wohnmobile aus aller Welt mit Gas. Ich denke nicht, dass es einen Wohnmobiltyp gibt, den ich noch nie gesehen habe.“ Wir sind amüsiert und fasziniert zugleich, da wir ja in einem Fahrzeug unterwegs sind, das nicht ganz alltäglich ist. Während Roger Jumbos Seitenklappe öffnet, um an den LPG-Gastank zu kommen, meint der Tankwart: „Du musst deinen Adapter gar nicht erst suchen, ich habe alle möglichen Adapter hier.“ Ein Vollprofi! Gefällt uns. In Europa ist es nämlich so, dass es vier gängige Anschlüsse gibt. Den ACME-, den DISH-, den Bajonett- und den Euronozzleanschluss. Letzterer wird aber eigentlich nur in Spanien verwendet. Natürlich sind wir, wie es für uns überorganisierte Schweizer gehört, für alle Anschlussmöglichkeiten ausgerüstet und haben sämtliche Adapter mit dabei. Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, montiert er den Adapter, hängt die Zapfpistole an und füllt den Tank – bis ein Klick-Geräusch signalisiert, jetzt issa voll.

Wir verabschieden uns von dem freundlichen Herrn und versprechen ihm, vor unserer definitiven Weiterreise nochmals vorbeizukommen.

Hängemattenfeeling in Moncarapacho

Ein paar Kilometer weiter, in einem winzigen Dorf namens Moncarapacho, biegen wir auf eine kleine Strasse in Richtung ‘Route 66 Camping’ ein. Die Strasse schlängelt sich vorbei an riesigen Orangen- und Zitronenplantagen. „Hoffen wir mal das uns keiner entgegenkommt“, sagt Roger etwas nervös zu Jessica. Denn die Steinmäuerchen an der Strassenseite machen ein Ausweichen bei Gegenverkehr schwierig bis unmöglich. Eine letzte Kurve und wir sind am Ziel, sagt das Navi.

Ein grosses blaues Tor versperrt uns den Weg. Eine zierliche Dame kommt aus dem Haus neben dem Tor heraus. Das Haus ähnelt einem Saloon aus dem wilden Westen. „Bonjour à tous, Je suis Chantal! Entrez, und we see where we can puttte your….äh…your…was diese Fahrzeug auch immer ist.”, sagt sie zu uns in einem Französisch-Englisch-Deutsch-Mix und meint sogleich weiter, „This is, öh, très longue. Mon dieu!” Wir starten Jumbos Motor und fahren ein, und sehen an Chantals Gestiken, dass sie viel am Überlegen ist, wohin sie uns denn auch stellen sollte.

Es ist schwer, Chantals Alter einzuschätzen. Vom Körperbau her, würde man raten, dass sie vielleicht um die fünfzig Jahre alt ist. Aus ihrem Gesicht kann man aber herauslesen, dass sie definitiv schon einige Nächte vor dem Tresen verbracht hat. Dieser Umstand lässt sie demnach ein wenig älter erscheinen.

Chantal führt uns über den Platz, der eigentlich eine grosse Wiese ist, mit etlichen Orangenbäumen. Gegen Süden ists leicht abfallend aber immer noch so gerade, dass man mit unterlegten Keilen wunderbar stehen kann.

Was uns direkt auffällt, sind die vielen Tiere, die wild herumlaufen. Hunde, Katzen, Ponys, ja sogar Hängebauchschweine dürfen diesen Platz ihr zu Hause nennen. „Wir sind hier eben auch ein bisschen eine Auffangstation für unerwünschte Tiere geworden“, meint die gutherzige Chantal. „Seht ihr das Pony, dass da am Baum angeleint ist? Das ist Ernesto, er ist blind und wurde vom Vorbesitzer verstossen. Darum ist er jetzt hier.“

Es gefällt uns auf Anhieb. Nicht, dass das Pony blind ist, natürlich! Viel mehr der gute Mood der anderen Camper, die wunderschöne Stimmung mitten in den Orangenbäumen, die Temperaturen ausgelegt auf T-Shirt-Wetter und nicht so scheiss Kalt wie in der Schweiz und hie und da eine Palme. Jup, hier lässt es sich aushalten.

Wir fahren unser Dickschiff also auf den von Chantal vorgeschlagenen Platz und beginnen damit, uns einzurichten. Chantal fragt uns, ob wir den Strom benötigen. Wir haben noch keinerlei Erfahrungswerte mit dem Leben im Jumbo gesammelt. Gebaut haben wir in so, dass wir eigentlich keine externe Stromquelle benötigen. Wir können grundsätzlich unseren ganzen Stromverbrauch mit der Photovoltaikanlage auf dem Dach bewerkstelligen. Also einigen wir uns mit Chantal darauf, dass wir vorerst keinen Strom brauchen und so unsere ersten Stromfeldtests durchführen können.

São Miguel Hill

Allrighty, hier sind wir nun. Wir schauen uns an und begreifen nicht wirklich, dass wir angekommen sind und ab jetzt ein völlig neues Leben beginnt. Haben wir soeben wirklich gerade unsere guten Jobs und die Wohnung gekündigt, ein dreissigjähriges Fahrzeug restauriert und sind in einen tausendachthundert Kilometer entfernten Ort gefahren, nur um ab jetzt von unserem Ersparten zu leben und durch die Welt zu vagabundieren? Jup, genau das haben wir!

Wir öffnen eine Flasche Wein und geniessen einen Bilderbuch-Sonnenuntergang wie ihn nur die Algarve zu bieten hat.

Um die Ereignisse der vergangenen Tage ein wenig setzen zu lassen, gönnen wir uns ein paar Tage ‘Dolce far niente’, viel Essen und Schlafen. So ein Vagabundenleben soll ja auch ordentlich ausgeruht und mit einer neu angefressenen Pauke angegangen werden.

Orangenplantagen so weit das Auge reicht
Mamacita auf ihrem Kontrollgang
Das blinde Pony versperrt uns den Weg

Ein Tag in Faro

Einen Besuch in Faro, der grössten Stadt der Algarve, lassen wir uns aber trotz der Chillerei nicht nehmen.

Faro ist eine schöne Stadt, die viel zu bieten hat. Es gäbe unzählige Sehenswürdigkeiten, doch wie sagt man so schön „weniger ist oftmals mehr“. Darum haben wir uns auf das Wichtigste beschränkt und haben ein ganz besonderes Ziel: Die berühmt berüchtigte Capella dos Ossos de Faro. Ein Ort, der die Besucher in seinen Bann zieht. In der im 16. Jahrhundert erbauten Kirche findet man die Überresten von mehr als 1’000 Mönchen, die vor Jahrhunderten gestorben sind. Der Eingang dieses Gebäudes ist von zwei skelettartigen Figuren flankiert, die eine unheimliche Atmosphäre vermitteln. Die Knochen wurden über die Jahrhunderte hinweg zu einer Vielzahl von kunstvollen Mustern arrangiert. Irgendwie saumässig creepy, aber irgendwie auch eine einzigartige Mischung aus Leben und Tod, das einen tiefen Eindruck hinterlässt.

Der Ort hat eine lange Geschichte und eine starke Symbolik für die Einwohner Faros. Natürlich gibt es auch die alte Kathedrale, die als wahrer Schatz der portugiesischen Kultur gilt und unter dem Schutz der UNESCO steht. Da wir allerdings zu durstig sind, entscheiden wir uns für ein kühles Bier an der wunderschönen Uferpromenade, bevor wir wieder den Heimweg antreten. Denn es gibt ja noch viel an Jumbo zu tun.

Faro
Capella dos Ossos de Faro

’‘Die Kabelschnitzeljagt

Wir bauen noch Regale ein, verbessern die eine oder andere Kittfuge und warten gefühlt zwei Leben lang auf bestimmte Ersatzteile. Unser Wasseraufbereitungssystem spukt etwas herum. Es läuft einfach nicht so wie es sollte. Als dann Chantal eines schönen morgens mit einem Paket wedelnd zwischen den Orangenbäumen hervorsprintet, sind wir erleichtert. Die Pumpe ist endlich da. Wir packen sie aus und wollen sie sogleich verbauen. Bei näherer Betrachtung stellen wir jedoch fest, dass ‘der Gerät’ stromtechnisch dann doch ein wenig durstiger ist als uns der Hersteller versprochen hatte. Die bereits verlegten Kabel der vorherigen Pumpe sind also zu schwach. Na super. Jetzt fängt der Spass also erst richtig an. Man könnte meinen 10 Meter eines dreiadrigen Kabels mit 4mm² Kabelquerschnitt müsste easy aufzutreiben sein. PHA! Dann kennst du die portugiesische Kabelmafia aber nonig! Soviel mal vorne weg…

Voller Elan besteigen wir frühmorgens gutgelaunt und bei gutem Wetter unseren bordeaux-roten hunderfüdlizwänzger Roller namens Petra und machen uns auf den Weg in den vielversprechenden Baumarkt Leroy Merlin.

Nach etwa 15 Minuten und nur knapp vor dem Ziel fängt es sintflutartig an zu schiffen. Classic! Die Bauern der Algarve und die Natur freut dies sicherlich, uns in diesem Moment eher weniger.

Harry, Abwart und gute Seele des Stellplatzes, meint, dass dies der mit Abstand trockenste Winter sei, seit er vor X Jahren hier hängengeblieben ist. Der gebürtige Holländer hat uns bei den Arbeiten an unserem Jumbo immer mit Werkzeug unterstützt – Hartelijk dank voor het sleutelwoord, Harry!

ACHT! 8! verschiedene Baumärkte oder baumarktähnliche-hinterhof-hobby-Landis später, kommt die Erlösung der portugiesischen Kabelschnitzeljagd. Ein flotter Mitarbeiter, welcher uns nicht einfach an den nächsten Baumarkt weiterverwies, zeigt uns den Weg zur Kabeloase im Güggenhü ussen und wir werden tatsächlich fündig!

Warum bestellt ihr des nicht einfach im Internetz fragt ihr euch!? Ja klar, hätte man machen können. Aber wir wollen ja schliesslich mit Land, Leute und ausländischen Baumärkten in Kontakt kommen. Wir sind nämlich nach der turbulenten Umbauzeit in der Schweiz schon ein wenig auf Bauhaus, Hornbach, Cööper B&H etc. Entzug. Da fahren wir an einem Tag mit Petra auch gerne mal 180km, was in etwa der Strecke von Baden nach Davos entspricht. durch den strömenden Regen für ein einziges Käbeli.

Fun Fact:

Während Jumbos Umbau haben sich mittlerweile tatsächlich 62 Quittungen nur aus Baumärkten angesammelt.

 

Aber hey, die Mühe hat sich gelohnt. Die Pumpe pumpt, ohne die Kabel zu verschmürzeln und das Aufbereitungssystem recycliert nun ordentliche 0.8l Grauwasser pro Minute. Nice!

Nachdem wir das ganze System ausgiebig getestet haben, müssen wir aber zum Ver- und Entsorgungsplatz fahren, um dieses auch zu reinigen. Das wir dafür aber vier Stunden brauchen, damit haben wir nicht gerechnet. Jumbo ist den Leuten natürlich aufgefallen. Und so kommt es wie es eben kommen musste. Viele nutzen die Gunst der Stunde, dass wir so exponiert auf dem Platz stehen, um uns anzuquatschen. Einer nach dem anderen kommt vorbei. Es kommt uns fast so vor, als würden sie wie im Wartebereich der Post diese nummerierten Wartetickets ziehen. Wir merken, dass das Interesse gross bis riesig ist, Zwischen jeder Plauderei nutzen wiederum wir die Gunst der Stunde, um das System zu spülen und die Tanks zu waschen. Hinter uns bildet sich bereits eine mittelgrosse Warteschlage mit anderen Fahrzeugen. Aber das stört weder die Wartenden noch die Plauderer noch uns, denn die Wartenden gesellen sich einfach auch zu uns. Und so verwandelt sich der öde Dumpingplatz zu einem geselligen Verweilörtchen. Naja, sigs wies well, so sind wir in den Genuss gekommen dem halben Campingplatz Jumbo zu erklären, von unserer geplanten Reise zu berichten und viele grossartige Leute kennenzulernen. Unsere Erkenntnis: mit Jumbo ist man definitiv nie einsam.

Nach den paar arbeitsreichen Tagen, bei welchen wir die letzten 0,5% unseres Jumbos fertig bauten, müssen wir jetzt aber schauen das Erkundungstouren und chillige Momente nicht wieder zu kurz kommen.

Deshalb haben wir uns auf Google Maps einfach mal den nächstbesten Hügel rausgesucht und sind da raufgelaufen.

Cerro de Cabeça

Wir spazieren zwischen unzähligen Orangen- und Zitronenbäumen hindurch, vorbei an kläffenden Hunden und einsamen Ruinen in Richtung Cerro de Cabeça, dem Hausberg von Moncarapacho. Auf dem ganzen 1.5 Stunden Fussmarsch zum Hügel begegnen wir keiner Menschenseele. Eigentlich verwunderlich, da die Algarve in den Wintermonaten High-Season hat. Und da Marokko gemäss unserem belgischen Nachbarn aktuell für Wohnmobilisten gesperrt ist, staut sich das fahrende Volk sogar noch mehr als sonst am südlichsten Zipfel Portugals. Kurz vor dem „Gipfel“ endete der vom Kalkstein rötlich schimmernde Trampelpfad und eine ein bizli schepse und vermutlich von ein paar betrunkenen Zivilschützlern gebaute Treppe, signalisiert die letzten paar Meter vor dem wohl verdienten Bergpreis. Oben angekommen, sind wir überwältigt von der Aussicht und einfach nur froh, den 10-minütigen Aufstieg geschafft zu haben. Auf dieser Aussichtsplattform kann man herrlich seinen Blick über den Ozean schweifen lassen. Und dies, bei wunderbar angenehmen 22 Grad im Februar.

Auf dem Obenabenweg klauen wir noch eine Zitrone ab einem Zitronenbaum (jaja, so crazy sind wir). Diese wird dann zu Hause umgehend gewaschen, geschnitten und gemeinsam mit Eis und einem frisch aus dem Kühlschrank geholten Martini Bianco verzehrt. Dabei lauschen wir den Klängen der „La Marseillaise“ aus der Kehle des Papageis „Cesar“ vom französischen Nachbarn nebenan. Jup, der Dude hat tatsächlich seinen Papagei dabei.

Kurz vor der Abfahrt von unserem Stellplatz in Moncarapacho sind wir dann erfreulicherweise noch auf zwei coole Schweizer Pärchen in unserem Alter gestossen. Die vier sind seit Juni 21 auf derselben Mission und bereisen mit Ihren Fahrzeugen Europa und vielleicht schon bald Südamerika.

So weit sind wir allerdings noch nicht. Zuerst wollen wir mit der grünen Gurke mal in Richtung Lissabon fahren.

Cerro de Cabeça