Welcome to Andorra
Wir rollen also irgendwo oberhalb der Baumgrenze mitten in den Pyrenäen auf einen scheinbar verlassenen Zoll zu, denn ausser einem Kabäuschen mit offenem Fenster sehen wir weit und breit wirklich nichts und niemand. Wir halten dennoch an und bemerken dann erstaunt, dass da ja tatsächlich jemand aus dem Fenster lugt. Der Zöllner blinzelt und fragt uns auf Spanisch, woher wir kämen. „Ja aus Spanien dänk!“. Der Zöllner meint bestimmt: „No, no, France!“ „Äh, ah, ja voll, sorry. France.” Wir sind ja vorher mal von Spanien nach Frankreich übergesetzt, um überhaupt an die gottverlassene Grenze von Andorra zu kommen.
Weiter will er neugierig wissen: „Wie lange bleibt ihr in Andorra?“ „Eine Nacht oder zwei, vielleicht auch drei, gerne, wenn wir dürfen.“, danach winkt er uns durch. Perplex von unserer ersten Zollbegegnung mit Personal, fahren wir einige Minuten stumm weiter. Das muss auch zuerst mal verarbeitet werden. Kurze Zeit später brechen wir in Gelächter aus, da wir erst dann realisieren, dass er mit der Frage ‚woher kommt ihr?’ unser Heimatland meinte. Aber schön hat er uns als nichtspanischantwortende Franzosen mit Schweizer Nummernschild nicht abgekauft das wir Spanier sind. Er hätte ja auch einfach nach der ID fragen können, der Globi…!
Exkursion in die Geschichte Andorras
Das kleine Fürstentum hat eine Fläche von nur etwa 468 km² und ist damit eines der kleinsten Länder Europas. Trotz seiner geringen Grösse hat Andorra für uns Wohnmobilisten, Weltreisende, Privatiers, Touristen, nennt uns wie ihr wollt, jedoch eine Menge zu bieten. Und wenn wir ja ein neues Land bzw. eine neue Region betreten, setzen wir uns immer gerne mit der Geschichte und allgemein historischem auseinander.
Die Geschichte von Andorra reicht zurück bis ins 8. Jahrhundert, als das Land von den Arabern erobert wurde. Im Laufe der Jahrhunderte wurde Andorra von verschiedenen europäischen Mächten regiert, bevor es schliesslich im Jahr 1278 zu einem unabhängigen Staat erklärt wurde. Seitdem hat das Land eine lange Tradition als Zufluchtsort für Menschen auf der Flucht, was auch heute noch der Fall ist.
Dieser verdammte Schnee
Die Landschaft von Andorra ist geprägt von den majestätischen Pyrenäen, die das Land umgeben. Im Sommer bietet Andorra eine atemberaubende Naturkulisse mit Wanderwegen und Mountainbike-Routen die durch die Berge führen. Im Winter ist Andorra ein beliebtes Skigebiet, mit hervorragenden Pisten und modernen Skiliften und bietet auch ein Après-Ski Alpenflair ala Zermatt-Style par excellence. Und genau jenes haben wir bei unserer Planschmiederei für die langersehnte Wanderung nämlich nicht einkalkuliert. Schnee! Und zwar überall! Vor zwei Tagen sassen wir noch bei lässigen 22 Grad im T-Shirt und einer Piña Colada in der Hand mitten in Barcelona und jetzt müssen wir tatsächlich unsere Winterjacken zuhinterst im Gänterli unter dem Bett hervorkramen.
Teures Pflaster
Äniwei, sigs wis well, Andorra ist auch biz ein teures Pflaster. Obwohl der Diesel extrem günstig ist und Roger beim ersten Tankstopp seinen Schlöööhtvorrat (Raucherware; Heets) für praktisch kein Geld aufstocken konnte, kassieren die Andorrianer für insgesamt etwa 4.5 Km Tunnel, für ein Fahrzeug in unserer Klasse, sage und schreibe 25 Euronen an Mautgebühren. Trotzdem ist das Land bekannt für seine Steuerfreiheit, was bedeutet, dass viele Produkte, insbesondere Luxusartikel, hier zu einem günstigeren Preis erhältlich sind als anderswo in Europa. Viele Touris kommen daher auch nach Andorra, um zu shoppen.
Die Geschichte der für uns schönsten Sackgasse Europas
Und ja, was uns nicht so bewusst war, dass gefühlt das ganze Land ein einziges, riiiesiges Skigebiet ist und weiter, dass unser ausgesuchter Stellplatz auf über 2’000 Meter über Meer liegt. So viel zu unserer vorgenommenen Wanderung in den Bergen – zwischen all den Skifahrern. Beinahe ein Ding der Unmöglichkeit. Und auf Schneeschuhe haben wir, mit noch immer Barcelona-Feeling in der Seele, auch gerade nicht so Bock. Doch das landschaftliche Panorama ist atemberaubend. Die Luft klar und rein. Der Schnee, vom Saharastaub begelbt, bereits etwas pflatschig, aber schön. Also suchen wir uns eine Wanderung etwas tiefer gelegen ist, nur so auf etwa 1’600 Meter über Meer. Wir suchen uns also den besten Parkplatz nahe dem Wanderungsstart aus. Hoch motiviert durch den neuen Wanderungsplan machen wir uns an die Rekognoszierung und fahren los. Ja…, dann kommt das Lastwagenfahrverbot. Toll. Umkehren. Neuer Plan. Lass uns dann halt den Cirquito Andorra auf 2’400 Meter über Meer anschauen, die höchste permanente Rennstrecke der Welt. Ein relativ neuer Track, welcher in die Pyrenäen gehauen wurde und unter anderem die Andorra GT Open und die Andorra Rally Championships beheimatet. Wir rollen mit unserem Jumbo also in Richtung Cirquito Andorra und erhaschen bei jeder Kurve eine Millisekunde lang einen Blick auf die Rennstrecke. Die Strecke sieht mit dem Panorama im Hintergrund einfach grossartig aus. Noch zwei Kurven, dann sind wir da. Noch eine Kurve. Da sind wir. Kein Platz zum Halten. Gut, dann fliegen wir halt mit der Drohne drüber und parkieren weiter unten. Andorra ist ein sehr windiges Land. Also wird wohl auch das nichts. Wir behalten die Rennstrecke in unseren Erinnerungen – ohne Foto. Gut, neuer Plan. Wir haben ja eigentlich noch gar nichts von Andorra gesehen, darum beschliessen wir eben hinten bei Andorra aus dem Land zu fahren und sind so immerhin einmal durch das halbe Land gefahren. Nein, keine Chance. Aufgrund von 3.5t Fahrverbotsschilder gibt es nur einen Ein- und halt eben denselben Ausgang für Jumbo und uns (den genauen Weg seht ihr in der Polarsteps-App).
Ein schönes Souvenir
Aber die Wanderung wollen wir uns trotzdem nicht nehmen lassen. Irgendwo auf dem Weg Richtung Frankreich wird es wohl etwas geben. Aber just in dem Moment als wir für die umdisponierte Wanderung anhalten wollen, ist es schon zu spät. Da ist er wieder. Klein und unscheinbar und überhaupt nicht von uns bemerkt: Der Zoll! Na gut, wenn wir schon quasi nichts in Andorra erlebt haben, wollen wir wenigstens einen Stempel im Pass. Wir halten neben dem Zollhäuschen an und fragen, ob wir als Souvenir einen Original andorianesischen Stempel bekommen könnten. Mit ernster Miene fragt der Zöllner: «Als Souvenir?» «Jup, als Souvenir. No worries, wir werden den Stempel weder verkaufen noch verschenken!», witzelt Roger. Ohne mit der Wimper zu zucken oder auch nur ein wenig auf unseren Schenkelklopfer einzugehen, haut er schwungvoll auf die Stempelmaschine und streckt uns die Pässe entgegen. Wir grinsen und schworen uns, ab sofort jedem Zöllner an jedem Zoll, den wir künftig durchqueren, mindestens ein kleines Lächeln abzugewinnen. Challenge accepted!
Ups, wir sind wieder in Frankreich
So schnell geht’s und wir sind wieder in Frankreich – ohne Wanderung in Andorra. Da wir es uns nicht nehmen lassen wollen, doch noch eine Wanderung zu machen, beschliessen wir diese eben auf französischem Staatsgebiet nachzuholen.
Danke liebes Andorra, du wirst uns auf ewig als die für uns schönste Sackgasse Europas in Erinnerung bleiben!