Wasserverbrauch einer Waschmaschine
Angekommen auf dem Campingplatz in Wroclaw City, füllen wir als erstes unseren Wassertank. Denn nun ist waschen angesagt. In der Regel recyclieren wir ja unser Wasser, wenn wir freistehen und für einen Waschgang zwischendurch, welcher uns etwa 45 Liter Wasser kostet, funktioniert dass dann auch ohne Probleme. Wenn wir allerdings viel Wäsche haben und sich gleich 5-6 Maschinen angestaut haben, stehen wir gerne in der Nähe eines Wasserhahns / Dumpingstation. Die letzten Tage hatten wir weiss Gott anderes im Kopf als zu waschen, weshalb sich dann mal wieder gefühlt eine Tonne Wäsche angesammelt hat. Wir mussten sogar schon den Wäschekorb expandieren und auf einen grossen Abfallsack erweitern. Wie viel Wasser so eine Waschmaschine wirklich säuft, realisiert man auch erst, wenn das Wasser keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Uns war davor nie wirklich bewusst, dass ein Waschgang unter Umständen 45 Liter benötigt. Und wir haben hier in unserem Jumbo lediglich eine Waschmaschine für 4 Kg Waschladung eingebaut. Zu Hause galt immer Wasserhahn auf und das Wasser läuft. Über den Verbrauch der kostbaren, endlichen Ressource haben wir zuvor nie nachgedacht. Wir befinden uns mal wieder in einem Nachhaltigkeitsgedankenkarussell.
Wroclaw
Während also die Waschmaschine im Jumbo läuft, wollen wir die Zeit nutzen, um die Stadt zu erkunden.
Wroclaw oder in Deutsch auch Breslau genannt, war vom 13. Jahrhundert bis zum Ende des zweiten Weltkrieges mehrheitlich Deutsch sprechend. Die drittgrösste Stadt Polens hat ein erstaunlich vielfältiges Stadtbild. Was nicht verwunderlich ist, denn die Stadt hatte viele verschiedene Zugehörigkeiten in der Vergangenheit. So gehörte Sie schon zu Böhmen, zeitweise auch zu Ungarn, dann wieder zu Österreich, dann zum damaligen Preussen, bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs zum Deutschen Reich und wurde schlussendlich 1945 unter dem Potsdamer Abkommen unter die polnische Verwaltung gestellt. Breslau präsentiert sich uns als facettenreich. Die Gebäude sind prunkvoll. Da wir uns mit den Baustilen nicht wirklich auskennen, empfinden wir denjenigen von Breslau als schwer und massiv. Im neueren Teil der Stadt, sind die Gebäude dann modern und weniger Detailverliebt gebaut. Natürlich darf da inmitten der althistorischen Gebäude auch das Hard Rock Café nicht fehlen. Eine tolle Einkaufspassage, viele Cafés, Lädelis und einen wunderschönen Marktplatz, der sogenannte Rynek, sind ebenfalls zu finden. Letzterer gehört anscheinend zu den grössten in ganz Europa. Das Beste an diesem Marktplatz ist, dass er autofrei ist.
Wir schlendern also durch Wroclaw hindurch, lassen uns von den Breslauer Eindrücken berieseln, laufen mal links, mal recht, mal retour und dann wieder vorwärts und entdecken so auch diverse kleine Seitegässchen. Jessica, welche vor einigen Jahren bereits eine neunmonatige Reise quer durch Neuseeland machte, entdeckt plötzlich auf einem kleineren Hinterhofplätzchen eine grosse Scheibenfront, auf welcher steht „Kia Ora“. Sie gumpt auf und rennt dort hin und meint zu Roger: „Da. Ja, genau da isch üse Zmittagsplatz.“ „Aber wir sind in Polen, nicht in Neuseeland.“, erwidert Roger. Als er aber die absolut genialen „Börgers“ sieht, saftig, zart, mit einem knusprigen Börgerbrötli, geschmückt mit Salat, ist er plötzlich verschwunden. Jessi, die einen Moment in die andere Richtung geblickt hat, um nach „hald eben einer polnischen Zmittagsversion“ zu suchen, bemerkt dann mit einem Schreck, dass sie allein herumsteht. Roger ist weg.
Just in dem Moment als Jessica ihr Handy aus ihrer Handtasche hervorkramt, um den verschwundenen Roger anzurufen, läuft dieser mit einem breiten Grinsen aus dem sogenannten „Kia Ora! Welcome to the best New Zealand Style Burger House“ mit einem Kochlöffel heraus. Die Nummer 98 ist es also geworden. Roger und Jessica setzen sich somit an einen freien Platz und fiebern dem Aufruf der Nummer 98 entgegen. Es ist so „fein“. Sehr zu empfehlen, auch wenn man in Breslau und nicht in Neuseeland ist.
Mit unseren vollen Ranzen rollen wir dann weiter, wieder in Richtung Altstadt. „No es bizeli Lädele“ steht auf dem Programm. Weit kommen wir nicht. Jessi entdeckt nämlich all „Hänneschiss“ einen kleinen Zwerg der irgendwo auf einer Mauer, einem Sims, der Strasse oder sonst wo herumsitzt. Roger, der sich langsam etwas ab den Zwergen nervt, weil wir so einfach nicht vom Fleck kommen, recherchiert diese Zwerge im Internet, während Jessi allesamt versucht vor die Linse zu bekommen.
Es stellt sich heraus, dass rund 300 solcher bronzenen Zwerge in ganz Breslau verteilt sind. „Prost Nägeli“, denkt sich Roger. Irgendwann hats dann aber auch Jessi gesehen und wir schwingen uns auf unsere Petra und fahren zurück zum heiss geliebten Mumbo Jumbo, wo auch Mamacita auf uns wartet.
Kein Hund für grosse Städte
Wenn wir in Grossstädten unterwegs sind, dann lassen wir unsere geliebte Mamacita im Jumbo. Sie fühlt sich hier pudelwohl. Für unsere Mama, die extrem sensible Charaktermerkmale hat, ist das Stadtleben und Sightseeing nichts. Sie ist ein Naturhund und geniesst es aus vollen Zügen durch Wiesen zu rennen und im Wald auf Exkursionen zu gehen. Wir würden ihr also keinen Gefallen tun, wenn wir sie nur unseretwegen mitschleifen. Und wir zwei sind jetzt auch nicht die hardcore Sightseeingtypen. Somit reichen uns drei Stunden in einer Stadt. Manchmal haben wir sogar das Gefühl, dass Mamacita froh ist, wenn sie uns mal nicht um sich herumhat, und endlich mal eine sturmfreie Bude auskosten kann ;-).
Auschwitz-Birkenau
Am nächsten Tag heisst unser Ziel Auschwitz-Birkenau. Dieses Stück Geschichte, dass, wir würden mal sagen, die ganze Welt mitgeprägt hat, kann man nicht ignorieren und einfach vorbeifahren.
Spät abends kommen wir auf dem Parkplatz vor dem Eingang an. Der Parkwächter meint zwar zu uns, dass es schon geschlossen sei, wir aber hier übernachten dürften. Mal wieder hat sich das ganze perfekt zusammengefügt. Wir können auf einem bewachten und beleuchteten Parkplatz übernachten. Vor dem Schlafengehen drehen wir noch eine kleine Runde mit Mamacita für ihren Guetnachtbisi, da sehen wir das grosse Hauptgebäude von Auschwitz bzw. Birkenau. Der Himmel ist dunkel. Der Mondschein lässt jedoch erkennen, dass es einige Wolken am Himmel gibt. Diese Lichtkombination zusammen mit der Beleuchtung des Gebäudes ergibt auf eine gewisse Art und Weise eine schöne Stimmung, jedoch fühlt es sich in Anbetracht der Umstände, was hier vor Jahren los war, nicht gut an.
Wir gehen zurück in den Jumbo und schauen noch eine Doku über das, was uns morgen erwartet. Wir informieren uns grundsätzlich immer und setzen uns mit dem Thema auseinander, bevor wir etwas Historisches anschauen. So sammeln wir für uns erste Eindrücke, um dann live unsere eigenen Erfahrungen zu machen.
Auschwitz-Birkenau ist aufgrund seiner Geschichte natürlich touristisch. Car um Car fährt ab etwa 10 Uhr auf den Parkplatz. Wir denken, es ist besser, wenn wir nun los gehen, bevor die ganz grosse Schaar kommt.
Vom Parkplatz erreicht man den Eingang in etwa zehn Minuten. Auf halber Strecke beginnen die Eisenbahnschienen. Da fängt es schon an. Das ist also die Schiene, auf welcher Zug um Zug eingefahren ist.
Am Eingang angekommen bemerken wir, dass hier gar kein Eintritt nötig ist. Wir gehen rein und sehen das riesige Areal des Konzentrationslagers bzw. Vernichtungslagers.
Da das Areal enorm gross ist, verteilt sich die Touristenmenge sehr gut. Dies gibt uns die Möglichkeit, alles in Ruhe und allein auf sich wirken zu lassen.
Eindrücklich ist die Grösse und die Menge an Holzbaracken, wenn man davorsteht und sieht, wie die Menschen dort schlafen und leben mussten. Wenn man den Gleisen entlang in den hinteren Bereich des Areals läuft, kommt man in einen fast schon schönen Bereich. Die Umgebung im hinteren Teil ist umsäumt mit Bäumen und Wiesen. Doch dann kann man auf der Tafel lesen, dass hier die Gaskammer war, welche dann zum Schluss von den Deutschen zerstört wurde. Ein Trümmerhaufen ist das Einzige, was noch übriggeblieben ist.
Der grösste Gänsehautmoment haben wir jedoch, als wir durch eine Art Waschstrasse für Menschen gehen. Die Leute wurden hier entwürdigt. Sie gingen rein und kamen dann „rein“ wieder raus. Den gesamten Weg, den die Menschen damals auch gingen, laufen wir nun auch. Ein schauriges Gefühl und ein Gefühl des Unfassbaren überkommen uns. Uns fehlen die Worte und eine Trauer kommt auf.
Leider gehört dieser Teil der Weltgeschichte ebenso zur Realität und die Augen verschliessen macht es nicht besser. Darum ist es gut, dass wir Auschwitz auf unserer Reise nicht ausgelassen haben.
Zalipie – das bunteste Dorf Polens
Zalipie ist in Jumbo-Geschwindigkeit etwa fünf Stunden entfernt. Es ist schon beinahe dunkel, als wir dort ankommen. Die Gegend erscheint uns etwas gfürchig. Wir parken drei Mal um, bis wir uns gut fühlen. Ein paar Jugendliche hören draussen im Auto laut Musik und johlen herum. Gegen Mitternacht verstummt dann die Musik. Eine ruhige Nacht steht uns also bevor.
Tags darauf scheint die Sonne. Zalipie zeigt sich von der besten Seite. Ein Dorf mitten im Nirgendwo.
Beinahe alle Häuser sind liebevoll bemalt mit tausenden von Blumenmustern. Die Farben hell und intensiv. Die Grundfarbe ist stets weiss. Eine wahrhaftige Augenweide diese Folklore anzusehen.
Was aber hat die Menschen dort bewegt sich so viel Mühe für den Anstrich der Häuser zu geben? Vor über 100 Jahren waren die Häuser vom Einfeuern der Öfen regelrecht verqualmt und sahen heruntergekommen aus. Da fingen die Bewohner von Zalipie an, die Häuser weiss zu streichen. Die Blumenmuster kamen dann mit den Jahren dazu. Wer jetzt jedoch an einen touristischen Ort denkt, der hat weit gefehlt. Es gibt, bis auf ein Museum, keinerlei touristische Einrichtungen. Keine Hotels und keine Bars sind zu finden.
Leider sind wir an einem Sonntag in Zalipie und da ist das Museum geschlossen. Wir hätten zu gerne ein solches Haus von innen gesehen. Denn im Inneren geht die Malerei weiter.
Der Monsun in Zalipie
Wir laufen unsere Zalipie-Runde noch zu Ende. Der Weg führt aus dem Dorf heraus, vorbei an weiten Feldern. Somit sind die Sehenswürdigkeiten wohl auch vorbei und man hat Zeit, um auch in den Himmel zu sehen. Wunderschön wie sich die Wolken auftürmen und wenn man lange genug hineinschaut, entstehen Figuren. Wolkengebilde können sehr faszinierend sein. Roger und Jessica träumen mit Mamacita vor sich hin, bis ein Platsch auf Rogers Nase ihn aus dem Traumland holt. Die Platsche werden rasant grösser und vermehren sich binnen Sekunden. Jah, die Wolken sind wunderschön, wie sie sich auftürmen, jetzt gerade sind sie aber unfreundlich und unangenehm. Wir laufen schneller, Mamacita beginnt zu traben, wir laufen noch schneller, Mamacita nimmt jetzt auch die „Hindere no füre». Nun ist es so weit, wir rennen alle miteinander. Jumbo ist noch nicht mal in Sichtweite. Es regnet Bindfäden, würden wir zu Hause sagen. Da hält ein kleines, rotes, verdrücktes, polnisches Auto an. Die Scheibe geht runter und eine freundlich lächelnde Dame fragt, ob sie uns mitnehmen solle, da hier weit und breit kein Schutz sei und das Unwetter bestimmt noch zwei Stunden andauern werde. Wir zögern einen Bruchteil einer Sekunde, wägen dabei kurz unsere Pros (trockenes Auto) und Contras (kalt, durchnässt, in ein fremdes Auto steigen) ab und befinden, jap, die Pros überwiegen. Peng, peng, die Türen knallen zu und wir sind drin. Wir unterhalten uns wie üblich darüber woher wir kommen, was wir in dieser verlassenen Gegend machen, wie wir auf Zalipie gekommen sind und wie toll sie unser Vagabunden-Leben findet. Auf einen Schlag werden der guten Magda ihre Augen immer grösser. Ihrem Gesichtsausdruck entnehmend, wissen wir, wir sind also bei unserem Mumbo Jumbo angekommen. Sie sagt ständig: «Wow, woow, amazing, wow!» Wir bedanken uns für die nette fahrt und rennen in den Jumbo hinein. Kurze Zeit später sind wir auf dem Weg ins Tatra Gebiet.
Reisen bedeutet flexibel zu bleiben
Mal wieder super vorbereitet merken wir bei der Fahrt, dass es immer mehr in die Berge geht. Es ähnelt wieder einem Skigebiet wie in Andorra. Es wird höher, kurviger, enger. Rogers Magen verkrampft sich zunehmend. Da hält er an. „Jessi, ich glaube nicht, dass wir hier rauf kommen. Wir werden stecken bleiben. Bestimmt“. Wir hatten uns einen grossartigen Schlafplatz ausgesucht. Von diesem aus, könnte man direkt eine Wanderung starten. Es wäre zu schön gewesen. Doch wie so oft, wird nun umdisponiert.
Wir steuern nun einen Platz weiter unten an. Doch auch dort. Keine Chance hinzukommen. Die Kurven sind zu steil für unseren Jumbo, ohne dass sein riesiger, überhängender Arsch nicht die guten polnischen Strassen aufkratzt oder wir gar in einer Serpentinenkurve steckenbleiben.
Na dann, bei einem Thermalbad gibts einen riesigen Parkplatz. Jessi geht an die Rezeption und fragt nach, ob wir hier stehen bleiben dürfen. Die gute Dame meint, klar, und wenn wir Baden gehen, dann sogar gratis. Perfekt. Dann können wir morgen nach der Wanderung in der polnischen Tatra-Therme entspannen.
Die langersehnte Wanderung
Roger gönnt sich nach dieser aufreibenden Fahrt ein Bier und Jessi widmet sich der Wanderungsrecherche für morgen und plaudert genüsslich vor sich hin.
Roger hört ihr halbherzig mit einem Ohr zu, da das Gebrabbel nicht mehr aufhört und bemerkt dabei nicht wie sie immer stiller wird, bis zum einen Satz: „Ich glaube, wir haben ein Problem!“ Nun hat sie Rogers Aufmerksamkeit: «Was Problem?! Was, was, was? Nein, es gibt keine Probleme mehr in Polen.» Doch, die gibt es. Und das wissen wir mittlerweile nach über zehn Ländern genau. „Was ist denn los?“, will Roger dann doch wissen. „Es sind keine Hunde im ganzen Nationalpark erlaubt.“ Und mit diesem Schlusssatz ist dann auch die Wanderung auf polnischem Staatsgebiet gestorben.
Nach der Erkenntnis, dass wir morgen also keinen anstrengenden Tag vor uns haben, zieht sich Roger um und geht in die Therme, damit wir gratis hier stehen bleiben können. Natürlich, nur deswegen. Draussen regnets mal wieder in Strömen. Alles ist voller Matsch und Schlamm. So richtig gruusigs Herbst-Bergwätter. Macht einem überhaupt nicht an auch nur einen Fuss vor die Türe zu setzen. Wir machen schnell Schäre, Stei, Papier, und zocken um den Zonk, wer bei diesem Wetter mit Rosita raus muss. Dieses Mal trifft es Jessi.
Zwei Stunden später kommt Roger dann völlig aufgeweicht und mit Schwimmhäuten wieder zurück und findet einen gedeckten Tisch und eine ebenso, vom Spaziergang mit Mamacita, aufgeweichte Jessi kochend vor dem Herd wieder.
Besser hätte der Abend und das Polen-Abenteuer nicht enden können. Mit einer selbstgemachten, asiatischen Poke-Bowl lassen wir den Abend gemütlich ausklingen, bis Roger plötzlich „tamisiech, das kann doch nicht wahr sein!“ ausruft.
Was jetzt kommt, könnt ihr im nächsten Textli von Mumbo Jumbos lustiger Reise lesen.