Herzlich willkomme zum zweite Bettmümpfeli vo Frankriich
Vor jeder Abfahrt haben wir eine Art Checkliste, die wir im Kopf durchspielen. Hat alles seinen Platz? Sind alle Kippkästchen im Fahrzeug geschlossen? Die Sicherheitsriegel von allen Türen im Gang und der Küche verriegelt? Sind alle Schnäpper eingeschnappt? Die Schiebetüren befestigt? Ist die Handseife ins ‘Brünneli’ gelegt worden? und so weiter… Irgendwann kanns dann losgehen. Wie man sich vorstellen kann, braucht es ein wenig Zeit, um in einem neun Meter Fahrzeug alles niet- und nagelfest und somit Abfahrtsbereit zu machen.
Irgendwann sind wir dann aber doch ready und sausen los zu neuen Abenteuern, wie zum Beispiel das Rotweinmassaker.
Das Rotweinmassaker
Wir verlassen das Weingut und biegen wenige Minuten später auf den Autobahnzubringer in Richtung Paris ab. Nur noch ein letztes Mal um den Kreisel und wir sind auf der Autobahn. Dumm nur, dass genau in dieser letzten Kurve ein ungewohntes Schäppern, gefolgt von einem dumpfen Klirren uns aus dem Cruisermood reisst. Jessi blickt aufgeschreckt zurück und sieht eine zerbrochene Weinflasche auf dem Boden liegen.
“ACH DU SCHEISSE! HALT AN, HALT AN, HALT AN!”, ruft Jessi panisch zu Roger, dieser wiederum schreit zurück: “ICH KANN AUF DER AUTOBAHNEINFAHRT NICHT ANHALTEN!!” Leitplanken links und rechts und gefolgt vom üblichen Jumbotatzelwurm an Autos, der hinter uns her zottelt, zwingen uns bis zur nächsten Autobahnausfahrt durchzuhalten. Jessi versucht derweil bereits das Malheur in Schach zu halten, was sich als eine kleine Herkulesaufgabe erweist. Glücklicherweise erscheint auf dem Navi bereits die nächste Ausfahrt. “Noch 1,2 Kilometer”, ruft Roger nach hinten. Jessi flucht vor sich hin. Dann kommt die Autobahnausfahrt und es gibt eine schön ausgedehnte Kurve nach rechts, was die ganze Weinsosse einmal in diese Richtung fliessen lässt. Jessi schreit wieder nach vorne “Hör auf Kurven zu fahren!”. Roger schreit natürlich zurück: “Ich kann doch keine neue Strasse erfinden!” Kaum von der Autobahn abgefahren fängt die Strasse an zu rumpeln, kein Autobahnniveau mehr. Jessi tätscht von der einten Wand zur Anderen mit dem Haushaltspapier in den Fingern. Dann ruft Roger den erlösenden Satz nach hinten: “Mi Amor, det vorne chani ahalte!” Erleichtert schnauft Jessi auf. Was Roger jedoch verschweigt, ist ein erneuter Kreisverkehr. Und natürlich nimmt er zu allem Übel auch noch die dritte Ausfahrt. Also einmal eine ausgedehnte Kurve nach links. Die Sauce verteilt sich also nun auch noch von rechts nach links im Fahrzeug. Dann fährt Roger auf den Parkplatz, der etwas erhöht ist. Es rumpelt und er muss abrupt bremsen. Zägg, Jessi und der Wein fliessen nach vorne. Dann gibt Roger ein letztes Mal gas, um auf den Platz zu kommen. Also das ganze Massaker bitte einmal nach hinten. So, nun ist es im gesamten Fahrzeug verteilt!
Fluchend wischen wir den Rotwein zusammen. “War es den wenigstens einer der billigen Weine?”, fragt Roger. “Leider nein, es ist”, enttäuschte Stille, “du weisst schon welcher” Das darf doch nicht wahr sein!
Der freundliche Winzer auf dem letzten Weingut, hatte auch einen Hund. Dieser Rotzlöffel von einem Hund machte sich einen Spass daraus Rogers Schuhe zu klauen und teilweise auch zu zerkauen. Als Wiedergutmachung schenkte uns der Winzer einen 2009er Chateau du Garde Prestige. Seinen Besten, wie er meinte. Und genau dieser stand eben gerade noch auf der Küchenabdeckung.
Da haben wir wieder etwas dazu gelernt. In Zukunft müssen wir definitiv besser abchecken, ob da nicht doch noch ein sündhaft teurer französischer Rotwein auf der Küchenabdeckung steht, bevor wir losfahren. TAMMISIECHNOMOL!
Moulin Rouge
Wer kennt es nicht, das rotleuchtende Moulin Rouge. Und wir gehören zu den Glücklichen mit Eintrittskarten.
Wir haben Tickets für die 23 Uhr Show. Gut, trotz unseres Nomadenlebens, steckt doch noch ein kleines Stück Bünzligkeit in uns. Darum fahren wir bereits um 21 Uhr mit unserer flotten Petra los. Roger ist der Navigator und sitzt dementsprechend hinten auf dem Roller. Wir rauschen mit Vollspeed (85 Km/h) nach Paris. Als sich das letzte Tunnel vor Paris dem Ende neigt, ist er da: Der Eiffelturm. Funkelnd und glizzerig wie jede Nacht. Ein Hauch von «oh la la» liegt in der Luft. Bis uns ein „Speedbömper“ auf den Boden der Tatsachen holt. Schrum, paff, pumm, peng – Autsch! Roschees Klöten müssen mal wieder dran glauben. Der Bömper war etwas höher als gedacht. Es war ein kurzer Adrenalinschub. Da sind wir auch schon beim Moulin Rouge und parkieren wie die Promis vor der Hütte mit unserer passend gekleideten bordeauxroten Petra.
Wir stellen uns sogleich in die Schlange. Nun stehen wir hier so rum. Bemerken nach und nach, dass wir komplett underdressed sind. Wer hier nicht mit einer Tonne Haarspray auf dem Kopf oder mit weniger als 1’000 Pailletten pro Ärmel ankommt, ist definitiv der Aussenseiter. Und wir, mit unserer Rollerbekleidung, also Jeans, Sneaker, T-Shirt und Winterjacke können da total nicht mithalten. Immerhin, Jessis T-Shirt mit einem Elefanten drauf hat ein paar «Chrälleli» dran. Wir zücken die Tickets hervor und lesen: «Dress to impress». Na toll! Wie heisst es so schön ‘wer lesen kann ist klar im Vorteil’.
Äniwei, die Schlange quetscht sich geordnet, stets von einem sonnenbrillentragenden, laut kaugummichätschenden Security bewacht, durch einen schmalen Korridor durch die rote Wand. Yes, endlich geschafft. Denkste! Auf der anderen Seite der Wand ist ein neuer Eingang mit einer neuen Schlange. Man wird, wie in einem Restaurant, Person für Person an den Tisch begleitet. Plätze reservieren ging nicht. Es ist also ein bisschen ein Glücksspiel, welchen Platz man bekommt.
Wir werden durch den Saal begleitet direkt in die Mitte an den mittelsten Tisch, den es überhaupt gibt. Und am Tisch bekommen wir die vordersten Plätze. Dann ist unser Tisch noch erhöht, so dass wir keine supertollen und mindestens fünf Stunden gestylten Hochsteckfrisuren von hinten begutachten müssen. Wir haben also freie Sicht auf die Bühne.
Die Champagnerkorken knallen im Minutentackt durch den Saal. Wir haben gelesen, dass im Moulin Rouge an einem Abend mit zwei Shows bis zu 800 Flaschen Champagner geleert werden. Es gilt daher als grösster Einzelabnehmer von Champagner der Welt (was für einen Fusel wir da eigentlich soffen, wurde uns allerdings erst am nächsten Morgen bewusst).
Der Saal wird verdunkelt, die Scheinwerfer gehen an, die Musik hallt aus den Lautsprechern und da kommen auch schon die Tänzer. Etwa fünf guttrainierte Männer in glitzerigen Hosen hüpfen umher und schwingen ihre Beine in die Luft, springen auf den Boden und drehen sich mit vollem Elan. Die Frauen beginne zu kreischen. Dann ändert sich das Bühnenbild. Üppig geschmückte und aufwändig gestylte Frauen tänzeln mit glitzerigen Pailletten herein. Oha lätz! Da fehlt doch was. Wo sind die BHs? Es folgt ein stilvolles Getanze der Frauen, stets begleitet von den im Takt mitwippenden Brüsten. Das Frauengekreische bei den Männern war ein ‘Seich’ dagegen was jetzt folgt. Der ganze Saal flippt aus. Egal was die Frauen auf der Bühne machen, es wird geklatscht, herumgegoisst, gejubelt und gepfiffen. Es kommen weitere Themen. Diese reichen von Zirkus, über Zeitgeschichte, Piraten, und natürlich dem weltberühmten Cancan. Und zägg, da ist es auch schon vorbei. Das Licht geht an und die Meute stürmt hinaus. Das Ganze ist ein riesiges farbenfrohes, sehr wohl durchgetaktetes und total reizüberflutendes Spektakel.
Fazit: Viel nackte Haut, viele Muskeln aber noch viel mehr Glitzer. Tiiip top!
Ein Baguette, das den Eiffelturm besteigt
Nachdem wir uns von der arschkalten (5 Grad Celsius) Rückfahrt nach der Show morgens um zwei Uhr erholt hatten, gehts heute gleich wieder zurück nach Paris. Da wir beide die schöne Stadt bereits kennen, beschränken wir unsere «must sees» auf das wesentlichste Monument: Den Eiffelturm. Und als Gag wollen wir auch einem echten Pariser Baguette die Chance geben, Paris mal von oben zu sehen. Roger geht zu Fuss und schlägt dabei das Baguette etwa 1’000-mal am Eiffelturm an, “streichelt” die entgegenkommenden Touristen damit, legt es bei den Pausen auf den Boden und schleift es hoch bis in den zweiten Stock, wo Jessi bereits auf ihn wartet. Sie hat keine Ahnung, was mit dem Baguette, auf dem nach Obenweg alles passiert ist. Wir geniessen den Ausblick, machen Fotos und gehen wieder runter. Aber dieses Mal beide mit dem Lift. Unten angekommen beisst Jessi in das leckere Baguette. «Wäää, willsch das würkli esse?», fragt Roger angewidert. Nach einer Kurzzusammenfassung, was das Baguette durchlebt hat, spuckt sie es Sekunden später wieder raus. Das ist ihr dann doch zu viel des Guten. Eigentlich spielt man ja mit Essen nicht und Foodwaste versuchen wir auch so gut als möglich zu verhindern. Deswegen verfüttern wir die abgeranzte Brotstange an die unter anderem auch als „die Ratten der Lüfte“ genannten Pariser Tauben. Danke Paris und Danke an all die guten ‘Bulonschers’, die ‘Bagetts’ backen.
Mont-Saint-Michel
Mont-Saint-Michel ist natürlich ein Touristenmagnet. Die Gemeinde wurde im Meer auf einer Insel erbaut. Sie zählt gemäss unseren Recherchen 29 EinwohnerInnen. Früher war die Insel sogar mal ein Gefängnis mit etwa 1’800 Insassen, welches dann aber wieder aufgelöst wurde. Heute ist es eine Touristenattraktion par excellence. Viele ‘Lädeli’ mit ritterlichen Goodies zieren die Schaufenster. Um ein Haar hätten wir uns eine Ritterrüstung für 1’200 Euronen gegönnt! Wir brainstormen darüber, wofür man so eine Ritterrüstung heute noch alles gebrauchen könnte. Es ist einiges zusammengekommen und wir befinden: Sooo unnütz ist eine Ritterrüstung im 21. Jahrhundert gar nicht. Finden aber beim besten Willen für uns keinen geeigneten Use-Case, drum lassen wir das dann auch wieder sein ;-).
Nachdem uns der Zugang zur Abtei zuoberst im Städtchen aufgrund von elektronischen Problemen und des damit einhergehenden Ausfalls des Kreditkartenterminals, kombiniert mit unserer als ‚digital Natives’ latent anhaltenden Bargeldlosigkeit verwehrt wird, verzichten wir dann auf die Chile von innen und machen uns auf den über drei Kilometer langen Rückweg. Wir philosophieren über das Leben und warum man nach Links abdriftet, wenn man mit geschlossenen Augen geht. Wir entdecken tausende von Schuhabdrücken im Sand und raten die Marken. Finden heraus, dass diverse Schuhabdrücke unterschiedlicher Marken dieselben Muster haben und finden, dass wir heute doch einiges an Intellekt dazugewonnen haben.
Der eindrucksvolle Omaha Beach
Am selben Tag fahren wir noch weiter an den Omaha Beach. Wir halten am Strand inne. Lassen die historische Welle an Leid, Mut, Elend und Ungläubigkeit über uns rollen. Passend dazu ist das Abendlicht. Die letzten Sonnenstrahlen, teils verdeckt von den Wolken, lassen ein episches Licht auf das mehr als ehrenvolle Denkmal der gefallenen Soldaten scheinen. Der D-Day war ein grauenhafter Tag bzw. die gesamte Operation Overlord ein mutiges Vorhaben im zweiten Weltkrieg, welches mehr als unsere vollste Dankbarkeit und unseren vollen Respekt verdient hat. Viel zu wenig ehren wir diese Mission, was im Kampf gegen die Achsenmächte ein Meilenstein war und unser jetziges Leben so beeinflusst hat, dass es so ist wie es nun ist. Solche Sachen realisiert man aber erst so richtig, wenn man vor einem der über 10’500 Kreuze und Davidsterne auf dem amerikanischen Soldatenfriedhof steht und ist irgendwie einfach nur dankbar, nicht in einem faschistischen Europa aufgewachsen zu sein.
Gestrandet in Frankreich
Als wir am nächsten Morgen weiter in Richtung Calais wollten, kam dann der Moment, von dem wir wussten, dass er bei unserem Vorhaben mit einem 30-jährigen Fahrzeug früher oder später kommen würde. Es hat uns die Kupplung gelüpft. Gopferteckel!
Die Kupplungsleitung, von welcher wir dank unserem Bekannten, dem Chefmechaniker Robert, schon im Vornherein wussten, dass diese früher oder später kommt, hat ein Leck und muss ersetzt werden. Da nutzen auch unsere eigenhändigen Entlüftungsversuche nichts. Der Plan war ursprünglich, unseren Jumbo in Polen oder Tschechien generalüberholen zu lassen. Naja, dann halt im teuren Frankreich. Nach dem Abschleppfiasko, wobei wir im Jumbo hinten rund 65 Kilometer bis nach Caen mitfuhren und mit 80 Km/h durch die 50er Zone gezogen wurden, ist alles in allem nach vier Tagen vorbei. Die Arbeiten sind erledigt, der Jumbo strahlt wieder über alle vier Backen und wir können uns gefreut auf nach Étretat und dann zu neuen britischen Ufern machen.
Auf zu neuen Ufern
Hier freuen wir uns auf so vieles, das würde den Rahmen sprengen alles zu erwähnen.
Zuerst geht es nun aber in Richtung Exeter, wo wir alte Bekannte von Jessi besuchen werden und gleichzeitig haben wir uns folgende Mission ausgedacht:
- 30 Tage!
- 30 verschiedene Pubs!
- 30 verschiedene Biere!
In diesem Sinne: Hey Ho, Let’s goooooo!